Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie des Klinikum rechts der Isar
Lippen-Kiefer-Gaumenspalten treten in Europa im Mittel bei jedem 500. Neugeborenen auf. Mit der Nasoalveolar Molding (NAM)-Therapie lassen sich durch manuell hergestellte Oberkieferplatten die Alveolarkämme annähern und durch Nasenstege die üblicherweise abgeflachten Nasenflügel aufrichten. Somit wird eine schwere Spaltdeformität in eine leichtere überführt. Folgeoperationen können dadurch vereinfacht und deren Anzahl verringert werden.Die bisherige manuelle Herstellung der NAM-Apparaturen benötigt ein hohes Maß an Erfahrung und ist sehr zeitaufwendig, sowohl für die Therapeuten als auch für die jungen Patienten und deren Eltern. Im Rahmen des RapidNAM-Projektes sollen die NAM-Apparaturen, basierend auf einem initialen Kiefer-und Nasenabdruck durch digitale Planung und anschließender generativer Fertigung, automatisiert im Voraus hergestellt werden. Oberste Priorität hat dabei, das natürliche Wachstum der kleinen Patienten nicht zu beeinträchtigen.
In einer klinischen Validierung konnten fünf Patienten mit automatisiert erstellten und additiv gefertigten NAM-Platten behandelt und mit einer Vergleichsgruppe, welche mit konventionell im CAD/CAM Verfahren erstellten Platten behandelt wurden, verglichen werden. Sowohl für die Reduktion der anterioren Spaltbreite als auch für die Aufrichtung der Nasenscheidewand konnten statistisch signifikante Ergebnisse gezeigt werden. Im Vergleich zur Kontrollgruppe konnten mit den automatisiert erstellten Platten vergleichbare Resultate erzielt werden.
Mit der als Resultat der Förderung vorgestellten software-gestützten Prozesskette kann die Belastung des Patienten und dessen Eltern durch die zahlreichen Ambulanztermine auf einen Termin für die Abdrucknahme und anschließenden Nachsorgetermine reduziert werden. Die gesamte Plattenserie für die NAM-Behandlung kann nach der initialen Abdrucknahme in einem Fertigungsgang additiv hergestellt und den Patienten zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch wird eine breitere Nutzung von NAM auch räumlich entfernt von spezialisierten Zentren ermöglicht, da die Nachsorge und eine evtl. erforderlich werdende Anpassung der Platte vom örtlichen Arzt durchgeführt werden kann. Das vorgestellte Verfahren kann somit seine Stärken auch in solchen Regionen der Welt ausspielen, in denen die Mobilität der Patienten oder die Dichte der medizinischen Versorgung nur gering ausgeprägt ist, aber auch die Verbreitung der Behandlungsmethode insgesamt fördern.
RapidNAM hat auf dem Weg zur semi-automatisierten NAM-Plattengenerierung zahlreiche Nebenprojekte, welche der Grundlagenforschung dienen, ins Leben gerufen. Neben den Daten zum gesunden postnatalen Oberkieferwachstum konnten so ebenfalls Daten zum intrauterinen Kieferwachstum erhoben werden. So konnte die generierte Wachstumstudie die Wachstumkurve von der 21. Schwangerschaftswoche beginnend, ausgeweitet werden. Zusammen mit den vorgefundenen FEM-Daten ergibt das wichtige Erkenntnisse über Vorsichtsmaßnahmen bei der NAM-Therapie in Hinblick auf Frühgeborene Patienten. Weitere kleine Fragestellungen haben sich zudem aufgetan, welche nun in der Zukunft ebenfalls abgearbeitet und beantwortet werden sollen. Hier soll weiter die Möglichkeit der 3D-Dokumentation über 3D-Gesichtsscan und der Korrelation der Spalt-Kieferlage weiter untersucht werden.
Die Kontaktaufnahme mit der Hilfsorganisation Cleft Kinderhilfe e.V. konnte bereits weiter ausgebaut und vorläufige Planungen in Hinblick auf eine breitflächige Anwendung eingeleitet werden.
Kooperationspartner: Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie des Klinikums rechts der Isar, TU München (PD Dr. Denys Loeffelbein, Florian Güll, Prof. Dr. Dr. K. D. Wolff) Lehrstuhl für Medizintechnik (MedTech) der TU München (Franz Bauer, M.Sc, Prof. Dr. Dr. E. Wintermantel)